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Ohne Not wird immer mehr die 112 gewählt

Foto: Rheinpfalz, (dpa)

10. Februar 2017

Interview: Nicht nur die Notaufnahmen leiden unter den „Irrläufern“, also jenen Patienten, die eigentlich gar keine echten Notfälle sind. Auch immer mehr Menschen wählen ohne echte Notlage die 112 . Aufklärung ist nach Ansicht von Axel Gilcher hier die einzig sinnvolle Gegenmaßnahme. Von Gebühren bei Fehlalarmierungen hält der Leiter des DRK-Rettungsdienstes Westpfalz nichts.   

Herr Gilcher, die Notaufnahmen klagen über einen Ansturm an Patienten, die eigentlich keine echten Notfälle sind, kennen Sie dieses Phänomen im Rettungsdienst auch?  
Die Hemmschwelle, den Rettungsdienst anzurufen, ist gesunken. Im Grunde ist es ja die Aufgabe des Rettungsdienstes, Menschen im Notfall schnell zu versorgen und dann in eine Klinik zur Weiterbehandlung zu bringen. Heute ist es aber immer öfter so, dass ein Transport in eine Klinik weder notwendig noch vom Anrufer gewünscht ist. Auch die Zahlen sprechen für sich: Unsere Gesamteinsätze sind von rund 68.000 im Jahr 2011 auf zirka 84.000 Einsätze im Jahr 2016 gestiegen. 18.800 davon wurden im Donnersbergkreis gefahren. Dies bedeutet eine Steigerung von ungefähr 25 Prozent in fünf Jahren. Auf den einzelnen Rettungswachen fällt die Entwicklung allerdings unterschiedlich aus. Im ländlichen Raum, wo die Bevölkerung im Schnitt älter ist, werden natürlich öfter medizinische Dienstleistungen in Anspruch genommen.

Wie erklären Sie sich die Zunahme?
Der Rettungsdienst wird häufiger auch zu Einsätzen gerufen, die vor einigen Jahren noch gar nicht entstanden sind, weil die Patienten damals zuerst den Hausarzt oder dessen Vertretung angerufen haben. Das System mit den Bereitschaftspraxen hat sich – warum auch immer – noch nicht durchgesetzt. Dass der Rettungsdienst rund um die Uhr an 365 Tagen verfügbar ist, das ist der Bevölkerung aber ebenso bekannt, wie die Notrufnummer 112. Das führt dann häufig dazu, dass auch bei weniger akuten oder schlimmen Erkrankungen der Rettungsdienst kontaktiert wird. Die Anrufer wünschen sich dann eher eine Beratung oder eine hausärztliche Behandlung.

Haben Sie Beispiele aus der Praxis?
Grippale Infekte, Magen-Darm-Erkrankungen oder schon länger andauernden Beschwerden wie Rückenschmerzen, die eigentlich gut vom Hausarzt ambulant behandelt werden könnten.

Wie gehen Ihre Mitarbeiter damit um?
Die Rettungskräfte helfen auch in solchen Situationen, sie beraten die Menschen und untersuchen sie auch, so wie es mit den Mitteln des Rettungsdienstes möglich ist, denn unsere Ausrüstung ist auf die Notfalldiagnostik und die Notfallbehandlung ausgelegt. Bei Bedarf stellen die Mitarbeiter auch den Kontakt zum Hausarzt oder dem ärztlichen Bereitschaftsdienst her. Oft hilft aber schon die reine Anwesenheit unseres Personals, dass es den Betroffenen besser geht und ein Besuch des Hausarztes bis zum nächsten Morgen warten kann.

Ist es denn nicht schwierig, in der Kürze der Zeit und ohne umfassende Untersuchungen festzustellen, wie krank jemand ist?
Wenn jemand zuhause bleiben möchte, obwohl er ja aus irgendeinem Grund den Rettungsdienst gerufen hat, dann ist das für unsere Mitarbeiter schon immer heikel. Wir kennen ja die Vorerkrankungen nicht. Deshalb ist es auch schwierig zu beurteilen, ob beispielsweise hinter den Rückenschmerzen nicht doch ein Herzinfarkt steckt. Da müssen unsere Leute immer im Einzelfall entscheiden.

Sehen Sie einen Weg, den Menschen wieder klar zu machen, was echte Notfälle sind und wann sie einen Hausarzt oder Facharzt aufsuchen müssen?
Aufklärung ist hierbei ein entscheidender Faktor. Auch eine flächendeckende Information über die hausärztlichen Bereitschaftsdienstzentralen und die zugehörige Rufnummer würden sicherlich helfen. Jeder Anrufer, der den Rettungsdienst in Anspruch nimmt, obwohl auch ein Hausarzt helfen könnte, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Besatzungen des Rettungsdienstes dann gebunden sind. In Rockenhausen oder Kirchheimbolanden haben wir jeweils einen Rettungswagen, wenn der wegen eines weniger schlimmen Falles unterwegs ist, dann kann das den Weg zu einem echten Notfall verzögern. Das kann im Extremfall dazu führen, dass der Rettungswagen aus der Nachbarrettungswache anfahren muss.

Ist das Ignoranz von Seiten der Anrufer?  
Wir gehen fest davon aus, dass die Anrufer den Rettungsdienst nicht mutwillig missbrauchen oder aus reiner Bequemlichkeit anrufen. In aller Regel sind es Patienten oder Angehörige, die sich einfach nicht mehr zu helfen wissen, vielleicht ihren Hausarzt nicht erreichen und die Bereitschaftsdienstzentrale oder die Telefonnummer einfach nicht kennen. Nur selten kommt es vor, dass jemand den Rettungsdienst ganz bewusst missbraucht.

Was halten Sie davon, dass Patienten gegebenenfalls zur Kasse gebeten werden, wenn sie ohne echte Not den Rettungsdienst rufen?  
Das sehe ich sehr skeptisch. Wenn wir Einsätze berechnen würden, bei denen die Notwendigkeit im Nachhinein zweifelhaft oder die medizinische Notwendigkeit nicht ganz klar ist, dann wären Patienten oder Angehörige wohl auch in echten Notfällen zurückhaltend. Sie hätten dann sicher Angst, dass Kosten auf sie zukommen würden. Das würde sowohl den Patienten wie auch dem gesamten Gesundheitssystem schaden. Wir glauben, dass Aufklärung und der Appell an eine überlegte Alarmierung der sinnvollere Weg ist. Es muss klar, sein, dass wir dann zuständig sind, wenn wirklich schnelle Hilfe erforderlich ist.

Eine andere Unsicherheit bewegt die Menschen hier im Donnersbergkreis. Wir liegen im Grenzgebiet zum Rettungsdienst Rheinhessen-Nahe. Wie funktioniert die Zusammenarbeit, gerade im Hinblick auf die Nähe zur Rheinhessen-Fachklinik in Alzey mit der Stroke Unit? Manche Patienten haben Befürchtungen, dass sie auch bei Zeitdruck nach Kaiserslautern gebracht würden, weil das in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegt, könnte das passieren?  
Im Rettungsdienstgesetz ist klar geregelt, dass der Patient grundsätzlich ins nächste geeignete und aufnahmebereite Krankenhaus gebracht werden soll. Es hängt also nicht davon ab, aus welchem Bereich ein Rettungsfahrzeug entsendet wird. Ob die Klinik geeignet ist, ergibt sich aus dem Krankheitsbild. Beim Beispiel Stroke Unit: Wenn ein Patient aus Morschheim einen Schlaganfall erleidet, dann fragt die Leitstelle natürlich ab, ob wir ihn nach Alzey bringen können. Sind aber dort gerade zwei weitere Patienten mit Schlaganfallsymptomen eingeliefert worden, dann wird man in Kaiserslautern schauen. In der Regel wird also immer das nächste Krankenhaus angefahren. Dabei spielt die Zugehörigkeit zu einem Rettungsdienstbereich keine Rolle, was sich beispielsweise auch daran zeigt, dass viele Patienten aus dem Bereich Schönenberg-Kübelberg in die Uniklinik Homburg gebracht werden, die sogar in einem anderen Bundesland liegt. Man muss aber auch bedenken, dass unser Fachpersonal gerade für diese Fälle hoch qualifiziert ist und mit Hilfe unserer medizinisch-technischen Ausstattung in den Fahrzeugen schon die Therapie eingeleitet wird. Es geht also auch beim Transport keine wertvolle Zeit verloren.

Quelle: Die Rheinpfalz - Donnersberger Rundschau,  Interview: Jutta Glaser-Heuser